„So, wenn du dein Zimmer wieder findest, kannst du jetzt einziehen.“ Nach einer etwa zwölfstündigen Anreise (allerdings auch aufgrund großzügiger Puffer) und einer circa zwanzigminütigen Hausführung war ich nach diesem Satz reichlich erschlagen. Ich hatte gerade einen ersten Einblick in mein Heim für die kommende Woche bekommen: Scatwell House. Freunde haben dieses Anwesen in den schottischen Highlands zur Ferienmiete aufgetan und ich habe mich zusammen mit 20 anderen Menschen (insgesamt waren es 35, im Wechsel) hier für eine Woche eingebucht. Ein Gruppenurlaub also. Wie ich ihn seit der Schulzeit nicht mehr gemacht hatte. Und sowieso ganz anders. Aber im Überblick:
Lage
Scatwell House befindet sich etwa 40 km östlich von Inverness, also ziemlich weit im Norden Schottlands. Ringsum gibt es mal mehr oder weniger bewaldete Hügel, die zum Wandern einladen, Flüsse und Seen (Lochs), in denen man Fischen kann, und ansonsten ziemlich viele Schafe. Andere beliebte Ziele in Schottland, wie die Isle of Skye, das Glenfinnan Viadukt oder der Cairngorms Nationalpark erfordern eine längere Anreise, sind aber im Rahmen von Tagesausflügen erreichbar. Da ich keinen eigenen Mietwagen hatte, war ich ein wenig von der Ausflugsplanung meiner Mitreisenden abhängig. Aber ich kann mich nicht beschweren und habe viel gesehen.
Anreise
Der nächst gelegene Flughafen befindet sich in Inverness. Aus Deutschland kommend sind die Flughäfen von Glasgow und Edinburgh leichter zu erreichen. Ich bin von Bremen direkt nach Edinburgh geflogen (1,5 h Flugzeit) und anschließend mit dem Bus (Megabus, etwa 3,5 h) nach Inverness gefahren. Dort wurde ich mit einem Mietwagen von einer Mitreisenden abgeholt (vielen Dank dafür). Ein eigenes Auto bzw. ein Mietauto empfiehlt sich aufgrund der abgeschiedenen Lage auf jeden Fall. Es gibt auch örtliche Busse. Allerdings fahren die nicht so häufig und auch nicht direkt zur Unterkunft. Ich habe mich mit dem lokalen Bussystem ehrlich gesagt nicht weiter beschäftigt, da ich immer eine Mitfahrgelegenheit gefunden hatte. Nach der Buchung der Unterkunft gibt es von den Hausverwaltern eine recht ausführliche Anfahrtsbeschreibung inklusive Bildern der Straßenschilder. Ich verweise gern auf GoogleMaps, das eine gute Routenbeschreibung liefert.
Ausstattung
22 Betten, zwei Küchen, Esszimmer, Musikzimmer, Bibliothek, Spielzimmer… Bei der Führung zur Begrüßung wurde mir jeder Raum gezeigt, aber ich habe bis zum Ende nicht alle noch einmal gesehen und auch ein wenig den Überblick verloren.
Der Einrichtungsstil war recht herrschaftlich und hat mich an unseren Aufenthalt im Lumley Castle erinnert. Unser aller Lieblingsraum war wohl das Esszimmer mit dem riesigen Tisch, der Sitzecke und dem Kamin.
In „meinem“ Zimmer gab es zwei Einzelbetten und ein Doppelbett. Angeschlossen war ein Badezimmer mit Badewanne und ausreichend Wasserdruck. Es gab auch noch einen kleinen Vorraum, der sehr gut die Geräusche vom restlichen Haus abdämpfte.
Wie in einem 4*-Hotel auch gab es ausreichend Bettwäsche und Handtücher, Föhn (wobei ich gerade nicht weiß, ob die nicht doch mitgebracht worden waren) und ausreichend Shampoo und Duschzeug (möglicherweise von vorherigen Mietern zurückgelassen). Jedenfalls, ich reiste mit nichts als meinem persönlichen Gepäck an und war vollkommen zufrieden.
Verpflegung
Tja, Selbstverpflegung. Man kann das Haus auch mit Köchin buchen. Aber wir haben auf unseren persönlichen Einsatz gesetzt. An dieser Stelle ein herzlicher Dank an diejenigen, die am fleißigsten in der Küche gewerkelt haben und/oder die Einkäufe erledigt hatten. Der nächste Supermarkt war im 20 Minuten entfernten Dingwall und jede Mahlzeit musste bei der Personenanzahl genau geplant werden. Leider stimmte nicht immer das Verhältnis von schaffenden und konsumierenden Menschen, so dass das Kochen mitunter recht lange dauerte. Ich nehme mich da nicht aus und hätte an der einen oder anderen Stelle sicher noch mit zupacken können. Aber am Ende sind immer alle satt geworden und es hat wohl auch allen geschmeckt.
Gekocht wurde in der großen Küche auf einem AGA, ich mag es nicht Herd nennen. Dieses Ungetüm hat den Kochprozess zusätzlich erschwert, weil nicht genügend Kochstellen für die Essensmenge zur Verfügung standen und überhaupt das Ding etwas eigen ist.
Aber wir mussten ja in der Regel nur eine Mahlzeit am Tag kochen, da ging das schon. Morgens hat sich das ganz gut in Etappen in der Küche geregelt und zur Mittagszeit waren wir oft unterwegs. Nur so grundsätzlich könnten bei einer solch großen Urlaubsgruppe noch mehr Hände mit bei der Verpflegung anpacken.
WLAN und Stromversorgung
Noch so ein: Tja 😉 Also, es gibt in Schottland durchaus Internet. Nur nicht unbedingt dort, wo wir waren. Das nächste Mobilsignal war etwa 6 Meilen entfernt. Da helfen auch schöne EU-Roaming-Richtlinien nichts. WLAN gab es im Haus, aber eher schwach. Außerdem funktioniert das nicht, wenn der Strom nicht läuft. Und wir waren innerhalb meiner Woche ganze dreimal ohne Strom. Zweimal ist er ausgefallen (abends) und einmal wurde er abgestellt, weil ein Mast erneuert wurde (quasi einen ganzen Tag lang). Und ohne Strom auch kein Wasser, keine Klospülung, kein Licht. Hier zeigte sich dann allerdings, dass so ein AGA doch gar nicht so verkehrt ist. Da er mit Wärmespeicherung funktioniert, konnten wir immerhin Wasser (aus Flaschen) erwärmen und sogar im Ofen Essensreste aufwärmen. Ansonsten ist das natürlich nicht ganz so schön, im Urlaub ohne Strom da zu stehen. Aber wir haben auch diese Situation gemeistert. Und immer daran denken: Auf den britischen Inseln sehen Steckdosen anders aus, also bitte einen Adapter mitnehmen.
Extras
So ein herrschaftlicher Landsitz bringt schon einige Extras mit, die ein normales Ferienhaus nicht bieten kann. Die Kamine mit Feuerholz waren da nur ein Anfang. Im Musikzimmer stand ein Klavier. Im Spielzimmer ein Billardtisch. In der Garage gab es Angeln, Golf-Sets und Fahrräder – alles zur freien Benutzung. Auch diverse Bücher waren im Haus verteilt. Außerdem ist das Anwesen wirklich groß, so dass man auch ohne große Langeweile einfach den ganzen Tag lang dort ausharren konnte. Und wer unbedingt musste, konnte auch vor Ort seine Wäsche waschen und direkt im Trockner schranktrocken bekommen.
In der Umgebung
Wer keine größeren Ausflüge unternehmen möchte, kann in direkter Nachbarschaft wandern gehen (in den Wäldern wachsen Pfifferlinge und Heidelbeeren) oder mit dem Fahrrad los fahren. Die Wasserfälle Rogie Falls sind ein schönes Ziel. In Muir of Ord gibt es eine Destille, die besichtigt werden kann, sowie einen wunderbaren Kuchen-Laden, die Bad Girl Bakery. Auch ein Streichelzoo, nicht nur für Reisende mit Kindern, befindet sich in der Nähe.
Für wen?
Wir waren eine Gruppe von insgesamt 35 Leuten, die sich von früheren gemeinsamen Interessen kannte. Ich kannte bei meiner Anreise nicht jeden meiner Gefährten für die Zeit, aber man lernt sich dann doch recht schnell kennen. Jeder, der einen solchen Aufenthalt bucht, sollte wissen, dass ein Gruppenurlaub etwas anderes ist als eine Pauschalreise oder ein gebuchtes Zimmer in einem Hotel.
Menschen, die bewusst Abstand vom Alltag (Digital Detox) suchen und die Natur lieben, sind in Scatwell House sehr gut aufgehoben.
An dieser Stelle ein kleiner Hinweis zu den Kosten: Die Gesamtmiete für 14 Tage beträgt 7.500 Britische Pfund. Geteilt durch die große Anzahl an Köpfen plus Verpflegungspauschale ergab sich ein pro Kopf Preis von 36 € pro Nacht. Da kann eins wirklich nicht meckern. Eine Ferienunterkunft dieser Art eignet sich also auch für Sparfüchse 🙂
Fazit
Scatwell House ist wunderschön und liegt sehr idyllisch. Es hat mich aus meinem Alltag sehr gut raus gerissen, was von mir beabsichtigt war. Es war für mich also ein tolles Urlaubsziel. Die Gruppe war leider einen Tick zu groß und ich wurde auch nicht mit allen Teilnehmern so richtig warm. Aber auch das gehört wohl zu einem Gruppenurlaub dazu. Insgesamt kann ich einen Aufenthalt empfehlen. Mit den kleinen Einschränkungen (Strom, Verpflegung) lässt es sich in Scatwell House gut leben.